Jeder Verkäufer muss sich ganz klar seiner „Kernfunktion“ bewusst sein: Er sollte seinem Unternehmen nützlich sein, indem er Produkte oder Leistungen den Kunden vorstellt und zum Kauf anbietet. Sein Ziel ist nicht in erster Linie die Beratung des Kunden! Sein primäres Ziel ist der Abschluss, den er natürlich mit einer verantwortungsvollen und kundenorientierten Beratung vorbereitet. Viele Verkäufer scheinen dabei irgendwie den Begriff Kundenorientierung falsch verstanden zu haben. Ich erinnere mich da zum Beispiel an einen Kollegen, der mir einmal abends nach einer Verkaufsleitertagung an der Bar seine „Philosophie“ erzählte: „Wissen Sie, ich verkaufe völlig kundenorientiert. Mein oberstes Ziel besteht darin, den Kunden echt super zu beraten und keinen über den Tisch zu ziehen. Der Kunde soll immer selbst entscheiden, was er will und was er nicht will.“ Mit dieser Einstellung im Kopf entwickelte dieser Kollege, er war Versicherungsverkäufer, seinem jeweiligen Ansprechpartner vier oder fünf Varianten einer bestimmten Versicherung, mit jeweiligen Zusatzklauseln und Sondervereinbarungen. „Alles echt super Angebote“, wie er mir glaubhaft versicherte. Doch mit diesen „super Angeboten“ ließ er seine Kunden dann auch alleine.
Als Verkäufer müsste er eindeutige Kaufempfehlungen aussprechen.
Er wollte ja keinen Kunden über den Tisch ziehen und hat deshalb gleich ganz darauf verzichtet, irgendeine Empfehlung auszusprechen. Doch genau das wäre sein Job gewesen, genau das hätten seine Kunden von ihm erwartet, deshalb haben sie ihn zu sich eingeladen. Er hätte eine überschaubare Zahl an Alternativen entwickeln müssen. Vor dem Hintergrund des jeweiligen Kundenbedarfs hätte er dann für eine bestimmte Variante eine Empfehlung aussprechen müssen: „Lieber Kunde, Sie sind jetzt 45 Jahre alt. Sie sind verheiratet und haben zwei Kinder, die noch schulpflichtig sind. Nach Abzug Ihrer Fix- und sonstigen Kosten verfügen Sie noch über so und soviel € pro Monat, und Sie sollten diese und jene Risiken mit Ihrer Versicherung abdecken. Für Sie wäre somit das Modell A das Beste.“ Der Kunde weiß jetzt ganz einfach, was Sache ist. Er fühlt sich mit seinen Bedürfnissen verstanden und gut beraten, und kann sich außerdem immer noch ein alternatives Modell von seinem Versicherungsverkäufer durchrechnen lassen.
Abschlussorientierte Beratung führt auch zu Sicherheit auf Kundenseite.
Ich habe diesem Kollegen gegen Ende unserer Unterhaltung dann noch eine Frage gestellt: „Was würden Sie machen, wenn Ihr PKW Öl verliert, Sie ihn voller Sorge in die Werkstatt fahren, der Meister ihn sich ansieht und zu Ihnen meint, dass ein defekter Dichtungsring an der Vorderachse für den Ölverlust verantwortlich wäre. Allerdings sei die Achse auch schon etwas schadhaft. Es gäbe also zwei Möglichkeiten: den Dichtungsring wechseln oder mit einem weitaus größeren Aufwand die Achse wieder in Ordnung bringen. Was schließlich gemacht wird, würde er gerne Ihnen überlassen, die Reparatur der Achse wäre natürlich sehr viel teurer, und er wollte nicht, dass Sie das Gefühl hätten, er würde Ihnen nur das Geld aus der Tasche ziehen wollen.“ – „Na ja“, antwortete mein Gesprächspartner, „der Mechaniker hätte schon selbst sagen müssen, was gemacht werden muss, aber Autos und Versicherungen sind doch zwei verschiedene Dinge.“ Was das Selbstverständnis des Verkäufers anbelangt, etwas zum Kauf anzubieten, finde ich nicht!